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Der Mensch im Elefantenreich

Für den urzeitlichen Menschen waren die Seen im Geiseltal für viele Jahrzehntausende ein wichtiger Anlaufpunkt zur Nahrungsbeschaffung. Dies zeigen die 200.000 Jahre alten menschlichen Hinterlassenschaften aus Neumark- Nord 1 und die 125.000 - 80.000 Jahre alten Siedlungsspuren vom Seebecken Neumark-Nord 2.

Damals lebten in Europa Neandertaler oder Vorgänger des Neandertalers. Ihre Spuren verraten ein planvolles
Verhalten.

In Feldlagern, 50 - 100 m vom See entfernt, lauerten sie und präparierten die Waffen für die anstehende Jagd. Sie hinterließen nur wenige Geräte und typische Steinabschläge. Vereinzelte Feuerstellen- und Speisereste sind Hinweise auf mehrtägige Aufenthalte. Die kleinen Jagdgruppen blieben nur so lange, bis genug Fleisch und Rohmaterial erbeutet und für den Rückweg zum Hauptlager portioniert waren. Größere Wohnplätze befanden sich – der Wahrnehmung des Großwildes entzogen – weit vom Jagdrevier entfernt. Dadurch mied man auch Mücken, Raubtiere und Bodennässe.

Gejagt wurde direkt am Ufersaum, bevorzugt Hirsche, seltener Auerochsen, Pferde und Nashörner. Die Tiere wurden noch am Todesort grob zerlegt, deren Skelettreste am See liegen gelassen. Auch Elefanten blieben bisweilen nicht verschont.

Spuren des Handelns

Steingeräte sind die deutlichsten Spuren der Urmenschen am ehemaligen See. Materialbedingt sind sie am besten erhalten. Ihre typische Formgebung lässt die Vorgänge erkennen, bei denen sie zur Anwendung kamen. Insgesamt ist nur ein begrenztes Sortiment des sonst so breiten Gerätespektrums jener Zeit vertreten. Auch verteilen sich die Geräte auf viele kleine Fundkonzentrationen. Das sind Hinweise, dass diese Plätze keine langzeitig bewohnten Sippenlager markieren, sondern kurzfristige Jagdstationen, an denen ausschließlich Spezialwerkzeuge gebraucht wurden.

Abb. 31:
gezähntes Werkzeug (modern nachempfunden) Zeichnung Marcel Weiß

Direkt am Ufer blieben die nach dem Zerlegen der Beute unbrauchbar gewordenen Schlachtmesser liegen,
bisweilen noch mit Skelettresten des erlegten Großwildes. Man hatte stets Feuersteinknollen bei sich, um frische
Tranchierklingen abzuschlagen.

In den uferfernen Feldlagern hinterließen die Jäger dagegen abgenutzte Werkzeuge, mit denen zuvor die Waffen präpariert wurden, so etwa eingewölbte Steinklingen zum Bearbeiten hölzerner Lanzen und Speere. Dort schärften sie auch ihre Geräte und ließen dabei abgeschlagene Feuersteinsplitter als Abfall übrig. Dass auch Felle gegerbt wurden, beweist möglicherweise ein Feuersteinabschlag, an dem Anhaftungen von Eichenrinde erhalten sind – sie enthält Gerbsäure und wird seit langer Zeit zum Gerben von Tierhäuten verwendet.

Nützliche Elefantenknochen

 

Die Jäger von Neumark-Nord nutzten zweifelsohne auch organische Materialien für ihre Ausrüstung. Es blieben aber nur Knochengeräte für schabende Tätig- keiten erhalten, mit denen man z.B. Hölzer und Häute bearbeitete. Diese sogenannten Schaber eigneten sich aufgrund ihrer Materialstruktur zum Trennen, Glätten und Polieren. So ließ sich mit Hilfe großer keilförmiger Knochenschaber das Fell vom Körper der Beutetiere leicht lösen. Kleinere Exemplare mit eingewölbter Arbeitskante dienten der Oberflächenbehandlung von Stangenwaffen.

 

Bemerkenswerterweise sind einige der Schaber aus Elefantenknochen gefertigt. Urmensch und Altelefant lebten also im Geiseltal nicht unbeeinflusst nebenein- ander her, sondern standen erwiesenermaßen in direkter Beziehung. Zwar gibt es von dort noch keine eindeutigen Hinweise auf Elefanten jagden, doch waren zumindest die Kadaver dieser Kolosse gern genutzte Rohstoffquellen.


Mahlzeit

 

Zahlreiche zerschlagene Tierknochen in den Jagdlagern deuten darauf hin, dass dort – etwas abseits vom See – Teile der am Ufer erlegten Beute verzehrt wurden. Bei mehrtägigen Pirschgängen versorgten sich die Jäger also direkt mit Frischfleisch und weniger aus mitgeführtem Proviant. Unter diesen Speiseabfällen fällt besonders die Vielzahl langer Beinknochen von Rot- und Damhirschen auf. Ihre Zertrümmerung zeigt, dass man auch das energiereiche Knochenmark begehrte.


Feuer am See

Abb. 32: Der Denker, Figur eines archaischen Homo sapiens aus dem Atelier Elisabeth Daynes,


Vereinzelte Holzkohlenester beweisen, dass in manchem Jagdcamp am See ein kleines Lagerfeuer brannte. Die Feuerstellen reichten gerade für die Nahrungszubereitung. Man wollte nicht den Argwohn der Beutetiere erwecken. Die Jäger jener Zeit konnten schon längst eigenhändig Feuer entzünden. Das war überlebenswichtig in den wechselnden Klimaverhältnissen Europas.

 

Nachweislich wurde die Funkenschlagtechnik beherrscht. Mit einem Feuerstein schlug man aus einer Schwefelkiesknolle Funken in pflanzliches Zündmaterial, z.B. zerfasertem Zunderpilz. Der durch die Funken zum Glimmen gebrachte Zunder diente dann zum Entzünden von Laub, Gräsern und Reisig.

 

Andere urtümliche Arten des Feuerzündens kommen nur mit Holz aus. So quirlt man etwa einen runden Stab auf einem Brettchen. Am Reibungspunkt entsteht Holzpulver, das infolge der Reibungshitze erglimmt und seinerseits leicht brennbares Pflanzenmaterial entflammt. Diese Technik ohne Steingerät ist archäologisch kaum nachweisbar, aber aus der Völkerkunde bekannt.